03.06.2013
Dr. Klaus-Jürgen Brammer
"Meine sehr geehrten Damen und Herren,
mein Name ist Klaus-Jürgen Brammer. Ich bin Mitarbeiter der GNS Gesellschaft für Nuklear Service, einem Tochterunternehmen der vier großen Energieversorger in Deutschland. Ich spreche heute im Namen und im Auftrag dieser Unternehmen, also der Abfallablieferer aus der E-Wirtschaft.
Bereits aus den Pressemeldungen zum Standortauswahlgesetz wird deutlich, dass zumindest im politischen Raum Einigkeit über folgendes besteht
„Mit dem Standortauswahlgesetz wird nicht der beste Endlagerstandort gefunden!“
Das Verfahren ist so angelegt, dass es allenfalls den relativ besten Standort aus einer begrenzten Auswahl finden kann. Allen Beteiligten ist dies offensichtlich sehr bewusst.
Aus unserer Sicht stellt sich dabei aber die Frage, ob ein solcher Standortvergleich, ggf. zwischen Standorten mit unterschiedlichen Wirtsgesteinen, überhaupt sinnvoll bzw. transparent machbar ist.
Den Hintergrund dieser Zweifel möchte ich kurz begründen:
Ein Endlager wird nicht ausschließlich durch das Wirtsgestein definiert, sondern ist ein komplexes System aus einer Anzahl von technischen, geotechnischen und der geologischen Barriere.
Beispiele für Barrieren sind unter anderem:
Die Wirkungsweisen dieser Barrieren sind voneinander abhängig und im Detail aufeinander abgestimmt. Sie gewährleisten in ihrer Gesamtheit den sicheren Einschluss der Abfälle.
Für die Bewertung der Sicherheit eines Endlagers müssen das Endlagerkonzept sowie die standortspezifisch entwickelten Barrieren in ihrer Wirkungsweise bekannt sein. Für den Sicherheitsnachweis werden dann umfangreiche Berechnungen durchgeführt. Die dafür erforderlichen Grundlagen beruhen zum Teil auf der Einschätzung von Experten.
Bei einem Vergleich von Endlagerstandorten können hingegen nur die geologischen Voraussetzungen der jeweiligen Standorte bewertet werden. Ein solcher Vergleich ist für Standorte mit gleichem Wirtsgestein (z. B. Ton-Ton oder Salz-Salz) grundsätzlich machbar und bei gleichen Randbedingungen, d.h. sofern unterstellt werden kann, dass die technischen und geotechnischen Barrieren identisch sind, auch transparent und nachvollziehbar. Diese Annahme gilt aber nicht bei Quervergleichen zwischen Standorten mit unterschiedlichem Wirtsgestein. Hier können unterschiedliche Maßstäbe von Fachleuten für schlecht vergleichbare Sachverhalte die Ergebnisse erheblich subjektivieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
im Atomgesetz (AtG § 9b) wird nach geltendem Recht für die Genehmigung eines Endlagers zu Recht gefordert, dass von ihm keine Beeinträchtigung für die Gesundheit der Bevölkerung und für die Umwelt - und zwar zu keinem Zeitpunkt - ausgeht. Die maßgebliche Genehmigungsvoraussetzung ist normativ die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden. Mit den Worten des Bundesverfassungsgerichtes ist damit der Grundsatz der bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge erreicht.
Jeder Standort - auch der zukünftige Standortvorschlag des noch zu gründenden Bundesamtes für kerntechnische Entsorgung gemäß § 19, Abs. 1 des Standortauswahlgesetzes und die Genehmigung für Errichtung, Betrieb und Stilllegung des Endlagers - muss in einem Genehmigungs- bzw. Zulassungsverfahren dieser höchsten rechtlichen Anforderung gerecht werden. Andernfalls kann keine Genehmigung erteilt werden. Es macht also bezüglich der erreichbaren Sicherheit gar keinen Unterschied, ob nur ein oder mehrere Standorte diese hohe Hürde nehmen müssen.
Das im Standortauswahlgesetz festgelegte Auswahlverfahren führt deshalb im Vergleich zur aktuellen rechtlichen Situation nicht zu einer Erhöhung der Sicherheit des späteren Endlagers.
Meine Damen und Herren,
die neue Endlagersuche mag politisch opportun erscheinen, führt jedoch zu einer Verzögerung der Inbetriebnahme eines Endlagers.
Mit Sorge sehen wir in diesem Zusammenhang auch, wie Fortschritte der letzten Jahrzehnte auf dem Gebiet der Endlagerung in Frage gestellt werden und sich nun die Bund-Länder-Kommission wieder mit Grundsatzfragen befassen soll.
Beispielsweise wurden bereits vor 30 Jahren Sicherheitskriterien für ein Endlager verabschiedet. Diese wurden 2010 nach umfassender Fachdiskussion vom BMU aktualisiert und regeln unter anderem auch Themen wie Rückholbarkeit und Bergbarkeit. Daneben gibt es mit der Entsorgungskommission (ESK) bereits ein Gremium, das den Bund seit Jahren in allen Entsorgungsfragen kompetent und unabhängig berät. - Die Stellungnahmen der ESK sind übrigens veröffentlicht und online verfügbar - Die Einbindung dieses Sachverstandes in die Beratungen der Bund-Länder-Kommission halten wir insbesondere auch deshalb für unerlässlich, weil in diese zusätzliche 24-köpfige Kommission lediglich 4 Wissenschaftler berufen werden sollen.
Meine Damen und Herren,
abschließend möchte ich mich noch kurz zu den Erkenntnissen, die am Standort Gorleben gewonnen wurden, äußern.
In der Anlage 4 der Vereinbarung vom 11.06.2001 zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen hat die Bundesregierung, vertreten durch den damaligen Bundeskanzler Schröder und den damaligen Bundesumweltminister Trittin festgestellt, dass die vorliegenden Erkenntnisse ein dichtes Gebirge sowie die Barrierefunktion des Salzes bestätigt haben und die gewonnenen geologischen Befunde einer Eignungshöffigkeit des Salzstockes Gorleben nicht entgegenstehen.
Mir liegen keine Erkenntnisse oder Veröffentlichungen vor, die eine Revision dieser Aussage erforderlich machen würden. Wir können somit davon ausgehen, dass dieser Standort die eingangs dargelegten, im AtG festgelegten Anforderungen erfüllen kann.
Auch und gerade aus sicherheitstechnischer Sicht gibt es somit keinen Anlass zu einer erneuten Standortsuche.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit."
Hier können Sie sich den Redebeitrag als PDF-Datei herunterladen.